5 Fragen an Moritz Kulawik

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Moritz Kulawik, Co-Geschäftsleiter, e4plus AG

Moritz Kulawik ist Leiter der SNBS-Zertifizierungsstelle Zentralschweiz. Gemeinsam mit seinem Team unterstützt er Investierende und Projektteams bei der Wahl des passenden Standards und der nachhaltigen Umsetzung ihrer Projekte. Die Zertifizierungsstelle sichert die Qualität der SNBS-Labels und ist die erste Anlaufstelle für Fragen zum SNBS in der Zentralschweiz. Im Interview spricht Moritz Kulawik über seinen Arbeitsalltag und über aktuelle Themen, die Fachleute rund um den SNBS beschäftigen.

  1. Was sind aktuell die drei häufigsten Fragen, die an Sie herangetragen werden?
    Zurzeit befinden sich einige neue SNBS-Areale in der Vorzertifizierung. Die Konkretisierung der Areal-Kriterien in der Praxis ist für uns ein zentrales Thema. Dabei drehen sich viele Fragen darum, wie eine Arealträgerschaft die Nachhaltigkeitsziele verbindlich verankern kann – und das über mehrere Baufelder und Eigentümerwechsel hinaus.

    In diesem Jahr werden zudem viele 2000-Watt-Areale in SNBS-Areale überführt. Auch hierzu gibt es viele Fragen zur Anrechenbarkeit der 2000-Watt-Kriterien. Wir freuen uns, dass Investierende und Arealträgerschaften dem Thema Nachhaltigkeit auch nach dem Ende der 2000-Watt-Areal-Labels eine hohe Bedeutung beimessen und dies durch den SNBS-Zertifizierungsprozess absichern wollen.

    Die dritte Frage, die immer wieder an uns als Zertifizierungsstelle herangetragen wird, betrifft die zulässigen Nutzungen. Hier empfehle ich Arealentwicklerschaften und Planenden, mit uns in Kontakt zu treten. Beispielsweise wird gerade an einer Erweiterung der Anwendungshilfe gearbeitet, um Hotelnutzungen mit SNBS-Zertifizierung zu ermöglichen.

  2. Wie ist der neue SNBS-Areal-Standard gestartet? Was ist aus Ihrer Sicht besonders an SNBS-Arealen?
    Aus unserer Perspektive ist der Standard sehr gut gestartet und erfreut sich bereits einer hohen Nachfrage. Der grösste Unterschied zwischen dem SNBS-Areal und dem SNBS-Hochbau liegt für uns in den organisatorischen Fragestellungen der Arealträgerschaft. Die häufig heterogenen Gruppen aus verschiedenen Investierenden und Entwickelnden verfolgen das Ziel mit einem gemeinsamen Areal Mehrwerte für die Standortgemeinde sowie die zukünftigen Bewohnenden und Nutzenden zu schaffen. Damit Areale mehr sind als nur Sammlungen von Hochbauten, die zufällig nebeneinanderstehen, sind aus unserer Sicht entsprechende Zusammenarbeitsvereinbarungen und Konfliktregelungen notwendig. Diese gehören in gemeinsame Nutzungs- und Betriebskonzepte. Zentrale Fragen sollten jedoch auch grundbuchlich fixiert werden. Beim SNBS messen wir dem Transformationspfad eine sehr hohe Bedeutung bei. Dieser soll der Arealträgerschaft als Leitlinie über alle Entwicklungsphasen hinweg bis in den Betrieb hinein dienen.

  3. Wie wird der Wert des SNBS-Labels von den Planenden wahrgenommen?
    Die SNBS-Labels bieten Planenden eine klare Richtlinie für die breit gefächerten Anforderungen des nachhaltigen Bauens. Für eine erfolgreiche Zertifizierung ist in erster Linie ein gutes Projekt entscheidend. Dieses steht und fällt mit der Festlegung der Nachhaltigkeitsziele in einer sehr frühen Planungsphase. Wenn die Nachhaltigkeit bereits im Entwurf eine hohe Bedeutung bekommt, entstehen wunderbare Projekte, bei denen die SNBS-Kriterien keine Last, sondern eine Inspiration sind.

    Generell stellen wir fest, dass die Nachweisführung Erfahrung erfordert. Büros, die bereits seit Längerem mit SNBS arbeiten, haben Routinen entwickelt und eine gute Nachweisqualität erreicht. Für «Newcomer» im SNBS-Markt ist anfangs sicher eine Einarbeitung nötig. Wer jedoch nachhaltige Projekte planen und realisieren kann, schafft auch die Übertragung auf die SNBS-Kriterien.

  4. Gibt es Projekte, die Sie ganz speziell in Erinnerung haben? Sowohl erfolgreiche als auch solche mit Verbesserungspotenzial?
    Das Projekt einer Genossenschaft in der Stadt Luzern ist mir in guter Erinnerung geblieben. Die starke Hanglage, in der die drei Mehrfamilienhäuser gebaut werden, stellt eine grosse Herausforderung bezüglich Hindernisfreiheit dar und verlangte dem Projektteam viel ab. Herausforderungen führen jedoch auch zu guten Lösungen: So wurden die Gebäude beispielsweise mit breiten Verkehrsflächen ausgestattet. Diese dienen nicht nur der Erschliessung, sondern auch als vielfältig nutzbare halböffentliche Begegnungszonen. Auch die Weiternutzung bestehender Garagen als neue Veloabstellplätze mit gemeinsamer Velowerkstatt hat mir an dem Projekt gefallen.

    Verbesserungspotenzial gibt es bei jedem Projekt. Ich denke, dies ist eine Stärke des SNBS und unser Anspruch als Zertifizierungsstelle: Projekte im Gesamtkontext der Nachhaltigkeit zu beurteilen und somit zu optimieren.

  5. Was sind Zukunftsthemen, die auf uns zukommen?
    Ein Thema, das in den kommenden Jahren mit Sicherheit Eingang in Energie- und Nachhaltigkeitsstandards finden wird, sind Negativemissionen in Baumaterialien. Aktuell ist noch nicht klar, wie und von wem eingelagertes CO2 im Beton angerechnet werden kann. Ich bin jedoch überzeugt, dass Negativemissionen in Zukunft eine Rolle spielen werden. Trotzdem werden wir auch in Zukunft unsere Projekte zunächst optimieren, bevor wir auf Kompensationsmassnahmen zurückgreifen.